Inselschönheiten

Palau

Als ‚Rock Islands‘ wird ein Gewirr aus Inseln und Inselchen bezeichnet, die im Wesentlichen unbewohnt sind und doch einen Großteil der Landfläche von Palau ausmacht. Aus der Luft sehen sie aus wie ein grüner Rohrschach-Test auf türkisblauem Grund. Fährt man in wahnwitziger Geschwindigkeit zwischen ihnen hindurch, erscheinen sie wie ein zur Hälfte versunkenes Gebirge, auf dessen Oberfläche Blumen Risse gerade versucht, eine tropische Filiale zu eröffnen. Jeder waagerechte Quadratzentimeter und auch ein guter Teil der senkrechten Flächen bietet Untergrund genug um Gummibäumen, Kokos- und Yuccapalmen, Mangroven und zahllosen anderen tropischen Pflanzen mit und ohne Namen Heimat zu geben.
Das Dickicht ist so dicht, dass es den Namen wirklich verdient. Ob es auf den meisten Inseln irgendetwas gibt, für das es sich lohnt, einen Weg hindurch zu finden, kann ich nicht sagen. Auf mindestens einer gibt es allerdings eine Attraktion zu bestaunen.

Ein Dschungelpfad schlängelt sich mitten durch die grüne Hölle, dabei ist nicht die Vegetation an sich so höllisch, sondern viel mehr die Steigung, die man zuerst steil bergauf klettert, um sich anschließend wieder herunter zu quälen. Uns entgegen kommt eine Gruppe erschöpfter Japaner oder Taiwanesen. Zwanzig weitere befinden sich immer noch am See, als wir auf dem Steg ankommen. Eine jüngere Dame hilft einer deutlich älteren Frau, Flossen anzuziehen. Die Ältere ist sicherlich Mitte siebzig, und macht den Eindruck, als wäre sie noch nie in ihrem Leben schwimmen gewesen. Sie tägt ein Badekostüm mit einem ausgestellten Rock mit passender Badekappe, über dem Kostüm eine Schwimmweste, die fast größer ist als sie selbst. Nachdem sie eine Tauchermaske aufgesetzt hat, springt sie ohne mit der Wimper zu zucken ins Wasser. Ein Guide ist ihr dabei behilflich, sich sofort an ein rettendes Schwimmbrett zu klammern. Mit unsicheren Schwimmstößen setzt sich die Gruppe in Bewegung, und wir folgen. Nach etwa zwei Minuten begegnen wir der ersten Qualle. Dann sehen wir drei, dann sieben, dann achtzig. Wenige Augenblicke später schwimmen wir in einem Meer von Quallen in allen Größen. Der erste Impuls ist, sie wegzuschubsen. Aber erstens sind es zu viele, und zweitens tun die nichts. Spielen wollen die aber auch nicht, sie schwimmen einfach um uns herum und sehen dabei toll aus. Da sie keine natürlichen Feinde haben, gibt es in diesem salzigen Binnensee zwischen fünf und zwanzig Millionen von ihnen. Und wir sind mittendrin – eine Erfahrung wie aus einer anderen Welt.

Mittags wird ein Sandstrand auf einer der Inseln angefahren. Viele stehen unter Naturschutz, weil an ihren Stränden Schildkröten ihre Eier ablegen oder die seltenen Dugongs leben. Auf anderen haben vorausschauende Insulaner Picknickbereiche angelegt. Weil die Zeit nicht reicht, um wilde Hühner zu jagen und eine Quelle zu zu suchen, bringen wir unseren Lunch jedesmal mit.
Spontan schlage ich Micha vor, ihn von jetzt an ‚Dienstag‘ zu nennen, wenn er sich einen Knochen durch die Nase steckt, aber er lehnt ab. In unserer Lunchbox hätten sowieso nur die Essstäbchen für diesen Zweck zur Verfügung gestanden. Der zweite Tauchgang des Tages steht uns noch bevor, und wir versuchen bis dahin, bei Kräften zu bleiben.

© 2012 Vera Wittenberg

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