Up, up and away

Palau

Nützt ja nichts. Manche Dinge muss man tun. Manchmal muss man arbeiten, manchmal muss man reisen. Und manchmal muss man auch darüber schreiben. Am Freitag Abend bin ich von einer Fortbildung aus Freiburg wiedergekommen, um dann den einen Koffer aus- und den anderen einzupacken. Und heute geht es nach einem kurzen Intermezzo mit dem Wäschetrockner weiter nach Palau, mit einem kleinen Zwischenstopp in Frankfurt und Seoul. Hauptsache, die Frisur sitzt, sage ich immer, und dabei fällt mir ein, dass ich schon wieder ein halbes Jahr nicht mehr beim Friseur war… Wo bleibt nur die Zeit? War doch eben noch Silvester, und schon sind die Geschäfte wieder voller Spekulatius und ich stelle mir die jährliche Weihnachtsgeschenke-Frage…

Der Oktober war für mich (also sogar für meine Verhältnisse) echt busy, weil ich doch meine Antibiotika-Fortbildung mit dem dazugehörigen Projekt beenden musste. Datenerhebung bis 2.11., dann Ergebnis-Auswertung und Erstellen der Abschlusspräsentation bis halb vier in der Nacht, am nächsten Tag Rettungssanitäter-Prüfung, und Sonntag chillen und Koffer packen… und dann, um 17 Uhr irgendwas ab in den Zug nach Freiburg. Wie schön, dass man die Bahnfahrt und den Morgen vor dem Kursbeginn noch nutzen kann, um alles noch mal umzuschmeißen und die Folien alle neu zu sortieren. In diesem letzten Kursteil haben also alle Teilnehmer ihre Ergebnisse vorgestellt, und ratet mal, wessen Nachname mit einem „W“ anfängt?!? Merkwürdig, aber ich bin als Vorletzter dran! Bei jedem zweiten Vortrag denke ich: DAS hätte ich auch so machen können! Das ändere ich schnell noch! – aber dann lehne ich mich zurück, und denke, dass sich auch schon mal Leute totkorrigiert haben, und dass Ruhe bewahren schließlich erste Bürgerpflicht ist. Also habe ich den Anfall von Korrigitis überwunden, und einfach gar nichts mehr geändert. Letzten Endes hat es dann ja auch gereicht, und ich bin jetzt in Besitz eines weiteren Abschlusszertifikates als „ABS-Experte“. Wenn schon bremsen, dann richtig.

… und natürlich des wundervollsten Mannes der Welt, denn bei Rückkehr von meiner Dienstreise ist alles bereits in trockenen Tüchern und ich muss nur noch ein paar T-Shirts und frisch gewaschene Unterhosen in den Tauchrucksack stopfen. Kaum zwei mal geblinzelt, und ich sitze wieder im Zug, vor mir mein geliebter Reisebegleiter, der schlechte Laune verbreitet, weil sich diesmal pünktlich zum Urlaubsbeginn die Killerviren auf ein männliches Opfer gestürzt haben, und drohen, ihm die ersten fünf Tauchgänge zu verhageln. Mich hatten sie dafür schon in Freiburg in ihre Gewalt gebracht, und mittlerweile hüstle ich nur noch ein bisschen produktiv vor mich hin. Und das wäre angesichts der Strapazen, die wir auf uns nehmen um dieses Mekka des Tauchsports zu besuchen wirklich gemein. Mich hatten sie dafür schon in Freiburg in ihre Gewalt gebracht, und mittlerweile hüstle ich nur noch ein bisschen produktiv vor mich hin. Palau klingt nach Baströckchen und Südseestrand. Nicht nach Wick dayMed und ner Familienpackung Tempotaschentücher. Also doch Makrolide statt Mikronesien? Denkste! Nach kurzen gegenseitigen Beteuerungen, dass uns so eine klitzekleine Erkältung ja nicht davon abhalten kann, eine vierundzwanzigstündige Flugreise zu unternehmen, haben wir heute morgen im Autopilot-Modus letzte Vorbereitungen getroffen. Und irgendwann war dann alles, was uns eingefallen ist, verstaut. Die Tauchrucksäcke dann auch, nämlich im Kleinbus der Nachbarn, die sicher gehen wollten, dass wir auch wirklich weg fahren, und uns deshalb persönlich am Bahnhof ausgesetzt haben.

Die Bahn spendiert uns ein „Bahn comfort“-Abteil. einen ganzen Großraumwagen, der reserviert ist für Leute, die so häufig als zufriedene Kunden mit der Deutschen Bahn unterwegs sind, dass sie einen Haufen Bonuspunkte sammeln konnten. Unverständlicher Weise ist der Wagen vollkommen leer bis auf einen einzigen verwegenen Mitreisenden, der uns ermutigt, doch Platz zu nehmen: „Hier sitzt nie jemand. Zumindest hat mich noch nie einer weg geschickt, wenn ich mich hier rein gesetzt habe.“ Das letzte Fünkchen Anarchie glimmt in meinem unter der hohen Keimlast ächzenden Reisegefährten, und wir setzten uns. Auf einen Vierer. Zu zweit. Unsere Gesichter umspielt ein gefaketes Bahncard-Lächeln, während wir unser Handgepäck und unsere Jacken unmissverständlich in einem weiten Umkreis um uns herum verteilen. Niemand könnte nun auch nur einen Moment daran zweifeln, dass wir selbstverständlich zu viele Bonuspunkte haben um sie alle auf einmal zu essen. Stattdessen werfen wir noch eine Wick dayMed nach. Und schieben, als Trostpflaster und als Reminiszenz an die Deutsche Bahn, eine Lakritzschnecke hinterher. Reisen ist schließlich eine ernste Angelegenheit.

Ein Tipp zum Schluss: Sollte euer Liebster euch beim Anziehen von Stützstrümpfen beobachten, könnt ihr versuchen, euch aus der Affaire zu ziehen, indem ihr anmerkt, dass auch Jetpiloten Kompressionshosen tragen, um zu verhindern, dass bei einem Druckabfall das Blut in den Beinen versackt.
Er hat mir zwar nicht geglaubt, aber er hat immerhin gelacht. Trotz Killerviren und schlechter Laune.

© 2012 Vera Wittenberg

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