In geheimer Mission

Marsa Alam

Zwei Wochen nach der Rückkehr von Palau packen wir schon wieder die Koffer. Beziehungsweise die Tauchrucksäcke. Nicht, dass wir zum Spaß unterwegs wären – nein, wir haben einen Auftrag. Dieser lautet nun nicht etwa, den Resturlaub zu verbraten, oder dafür Sorge zu tragen, dass Micha auch 2012 wieder über 100 Tauchgänge loggen kann. Auch nicht, mir erneut einen Anlass zu geben, meine schriftstellerischen Fähigkeiten zu erproben – letzteres erweist sich nämlich unter dem strengen Regiment meines Reiseleiters als nahezu unmögliches Unterfangen, denn die Tags beginnen in aller Herrgottsfrühe noch vor dem Sonnenaufgang, und enden erst, wenn mir der Kopf beim Abendessen mit dem Gesicht voran auf den Dessertteller fällt. Bei fast täglich drei Tauchgängen und chronischem Schlafmangel habe ich bereits im letzten Jahr nach einem einzigen Post aufgegeben, und bin einfach nur noch getaucht.

Die Mission lautet auch nicht, herauszufinden, woran Kleopatra gestorben ist (das ist nämlich zu einfach: sie ist erfroren. Im Dezember. In Ägypten. Um den Touristenstrom in der Nachsaison nicht zu gefährden, wurde ihr Tod vertuscht und von allen Quellen nachtäglich als Selbstmord hingestellt.) Was immer euch die Leute erzählen: im Dezember braucht man im Land der Pharaonen dicke Sweatshirts, lange Hosen, Kapuzenpullis und Stricksocken. Mittags kann man mal kurz auf kurze Hose und Flip Flops wechseln, damit nicht nur die Nasenspitze braun wird. Oben rum behält man besser den Eskimo-Look bei, um sich bis zum nächsten Tauchgang schneller warm schnattern zu können. Unter Wasser darf’s ebenfalls ruhig ein Bisschen mehr sein. 7 mm Neopren sind okay, zumindest ausreichend für die ersten beiden Tauchgänge des Tages. Wer auf Nummer sicher gehen will, greift zu Eisweste oder halbtrockenem Anzug, es wurden allerdings auch Taucher im Trockentauchanzug gesichtet, die sich nicht über die Hitze beklagt haben.

Nachdem die Kleiderordnung also geklärt wäre, zurück zu unserer Mission. Nach abgebrochener Vorweihnachtszeit verlassen wir Glühwein und Zimtsterne, um uns auf die Suche nach dem geheimnisvollen Dugong zu machen. Im letzten Jahr fanden wir ja stattdessen Delfine. Und eine Reihe von Augenzeugenberichten, die allerdings alle aus einem Personenkreis stammten, der eng mit der Tauchbasis verbandelt war, und deshalb nicht als sehr glaubwürdig eingeschätzt werden konnte. Bevor wir also zu Plan B wechseln, der vorsieht, so viele Weihnachtsplätzchen zu essen, dass wir selber aussehen wie Dugongs, und das Vorkommen von Seekühen im südägyptischen Roten Meer (so wie die Geschichte über ein Wrack mit Namen „Rozy“ vor Malta) ins Reich der Mythen und Legenden zu verlegen, wollten wir der Geschichte noch einmal eine reelle Chance geben. Die Sache mit den Keksen läuft uns ja schließlich nicht weg.

Kälte hin oder her, da uns der Abschied bei Minusgraden und dem ersten Schnee nicht eben schwer gemacht wurde, waren die klimatischen Bedingungen bei unserer Ankunft, wenngleich nicht ganz Bikini-tauglich, trotzdem eine Verbesserung zu Mitteleuropa. Der arabische Frühling kann dementsprechend auch im Winter durchaus den einen oder anderen Sommer in unseren Breiten ganz schön blass aussehen lassen. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Denn 28 Grad tagsüber, 16 Grad nachts und 25 Grad Wassertemperatur hätten wir im August zuhause oft auch ganz gerne. Das fast vollständige Fehlen von Wolken und Dauerregen führt außerdem dazu, dass sich unbekleidete Hautstellen nach einigen Tagen braun verfärben. Das gab es im Sommer früher bei uns auch!

Bei unserer Ankunft am Flughafen Marsa Alam bricht die Abenddämmerung an. Die ankommenden Weihnachtsflüchtlinge erfreuen sich an leeren Fliegern, fast ausgestorbenen Einreiseschaltern und an den mit Lichterketten in Stern- und Glockenform dekorierten Palmen auf dem Weg zum Tauchresort. Nach dem Abendessen nur noch schnell Zähne putzen und den Wecker stellen. Der erste Tauchgang startet bereits früh am Morgen!

© 2012 Vera Wittenberg

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